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Traum vom Tiny House hat sich erfüllt

Traum vom Tiny House hat sich erfüllt

Seit dem College wünscht sich die Amerikanerin Katie Beaven ein Mini-Haus, nun hat sie einen der Plätze am Lindenweg bekommen
Katie Beaven arbeitet bei Catalent. Möglichst minimalistisch will sie ihr Leben leben. Foto: Benjamin Büttner

Von UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED
Jutta Pöschko-Kopp

Schorndorf

Vor vier Jahren ist Katie Beaven (29) mit zwei Koffern aus Kentucky nach Deutschland gekommen. Seither hat sie nicht viel mehr Besitz angehäuft. Klamotten, Schuhe, Make-up, Bücher, Krimskrams: All das ist nicht ihr Ding. „Ich habe andere Interessen als andere junge Frauen“, sagt sie und lacht. „Ich will kein Geld ausgeben, es fühlt sich besser an, wenn ich nicht viel habe, sondern nur das, was ich brauche.“ Platzprobleme, das steht schon fest, wird sie an ihrem neuen Wohnort nicht bekommen: Die 29-Jährige hat im Lindenwegeinen der fünf Plätze für ein Tiny House bekommen. Im Herbst zieht sie in ihr 35 Quadratmeter großes Mini-Haus: „Ich bin glücklich und aufge- regt“, sagt sie. „Und es gibt noch so viel tun.“

Der Traum sollte sich in Deutschland erfüllen

Den Traum vom Tiny House hat Katie Beaven schon auf dem College geträumt. In den USA seien die Mini-Häuser sehr populär. Doch besonders in Deutschland, wo der Platz beschränkt ist und das Öko-Bewusstsein vergleichsweise hoch, findet sie das Konzept ideal. Bei einem Sommerkurs in Karlsruhe hatte sie Deutschland kennengelernt – und war begeistert. „Ich habe es gleich geliebt“, sagt sie. „Es war so einfach, zu reisen, auch nachhaltig mit dem Zug“, erzählt sie. Nach dem Studium fand sie einen Job bei Catalent USA. 2017 kam sie nach einem Programm für junge Führungskräfte zu Catalent nach Schorndorf. Die ersten sechs Monate lebte sie mit Familienanschluss bei einer Familie in Remshalden,
dann zog sie in eine kleine Wohnung nach Stuttgart-Uhlbach. „Ich habe gemerkt, dass ich in Deutschland bleiben will“, erzählt sie. Damit reifte der Gedanke, den Traum vom Tiny House hier zu erfüllen. Doch die Suche nach einem geeigneten Platz war schwierig. „Ich habe Zettel geschrieben und den Leuten in Uhlbach in den Briefkasten geworfen. Ich habe einfach einen Platz gesucht – egal, wo.“ Sogar im Schwarzwald besichtigte sie einen TinyHouse-Platz und hätte ihn auch gern genommen. Die lange Strecke zu ihrem Job in Schorndorf schreckte sie nicht. „Der Schwarzwald ist nicht sehr weit für einen Amerikaner“, sagt sie lachend. „Amerikaner fahren weit. Außerdem arbeite ich im Moment im Home-Office.“

„Ich habe gedacht, es klappt nie“

Den Platz im Schwarzwald hat sie nicht bekommen. Dafür machte sie einer ihrer Freunde auf die Ausschreibung der Stadt Schorndorf aufmerksam, die am Lindenweg für zehn Jahre Plätze für Tiny Houses zu vergeben hatte. Katie Beaven bewarb sich und bekam den Zuschlag. „Ich konnte es nicht glauben“, sagt sie strahlend. „Es war wunderbar. Ich hatte gedacht, es klappt nie.“ Seitdem hat sie 58 Firmen für Tiny Houses kontaktiert. Besonders großen Wert legt sie auf Nachhaltigkeit und Ökologie in ihrem 35 Quadratmeter großen Traumhäuschen. Anders als die meisten anderen Tiny Houses soll es quadratisch werden. Geliefert wird es in zwei Teilen und dann zusammengesetzt. „Wenn man umzieht, kann man es wieder auseinandernehmen und abtransportieren“, erklärt sie. Aufs Dach soll nicht nur eine Fotovoltaikanlage, sondern auch eine Dachterrasse kommen, die die Stadt noch genehmigen muss. Vor dem Haus will sie einen Garten anlegen, in dem sie Salat und Gemüse anbauen will. Den Innenausbau will sie mit Hilfe von Freunden selbst übernehmen. Viel heimisches Holz stellt sie sich vor. Küche, Boden und Badezimmer will sie selber einbauen. „Das habe ich noch nie gemacht, aber es gibt ja Youtube“, verweist sie lachend auf Do-it-youself-Videos im Netz. „Ich bin optimistisch.“ In den USA könne man fast alles selber machen. Das sei in Deutschland mit seinen vielen Regeln
anders. „Aber ich versuche es – auch, um zu sparen.“ Was sie für ihr Häuschen braucht, will die gelernte Chemie-Ingenieurin gebraucht auf Ebay kaufen, wie sie fast alles secondhand ersteht, um die Umwelt zu schonen. An Kleidung kauft sie eigenen Worten zufolge fast nichts, und wenn, dann eben gebraucht. Dass auf Ebay das Angebot
beschränkt ist, der Käufer flexibel sein muss— geschenkt. „Die Auswahl ist kleiner, aber ich habe ja viel Zeit.“
Die Pachtverträge am Lindenweg laufen über zehn Jahre mit der Option, nochmals um drei Jahre verlängern zu können. Diese Bindung auf zehn Jahre schreckt sie nicht: „Es ist eine lange Zeit. Aber ich mag Deutschland, meinen Job und meine Freunde und habe keine Pläne, zu gehen.“ Leben will sie allein, vielleicht mit einem Hund, sagt die erklärte Tierliebhaberin und Veganerin, die einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruckhinterlassen will. Dass es in Deutschland im Vergleich zu ihrem Heimatland viel weniger Konsum gibt, gefällt ihr sehr. „In den USA konsumiert man ständig. Alle haben so viel und immer ist alles so groß.“ Früher habe auch sie viel Geld verschwendet. In Deutschland sei es aber leichter, nicht dauernd zu kaufen. In den USA habe sie auch immer gearbeitet. „Hier kann man reisen, Erfahrungen machen.“

Reisen ist ihre Leidenschaft

Reisen, auch mit dem Bus, ist ihre große Leidenschaft. „Ich will überall hingehen“, erzählt die 29-Jährige. „Running, rausgehen, Freunde treffen“, sind ansonsten ihre Freizeitbeschäftigungen. Einen Fernseher wird sie in ihrem Tiny House dagegen nicht brauchen, weil sie nie fern sieht. Auch keine Bücher, weil sie nicht gern liest. Aber einen Schreibtisch und Platz für ihr Home-Office, in dem sie bisher immer noch arbeitet. Zwei ihrer neuen Nachbarn hat die 29-Jährige
schon kennengelernt. Cool würde sie’s finden, wenn man sich später – von Tiny House zu Tiny House – gegenseitig helfen würde. Vor kurzem hat sie den Bauantrag abgeschickt. Jetzt wartet sie mit Freude auf die Baugenehmigung, die schätzungsweise zwei bis drei Monate dauern wird. Geht alles nach Plan, will sie Oktober oder November umziehen.
Im Mai vergangenen Jahres hatte der Gemeinderat am Lindenweg den Weg frei gemacht für die Erprobung neuer Wohnformen, der sogenannten Tiny Houses. Die Parzellen eignen sich für Mini-Häuser mit maximal 35 Quadratmetern, die eine Etage und eine Galerie darüber haben dürfen. Wer jetzt nicht zum Zug kam oder sich noch nicht sicher ist, ob das Leben im Tiny House das richtige ist, hat noch weitere Chancen: Zwei weitere Bereiche für alternative Mini Häuser sollen folgen. Wenn die Arbeiten für den Bereich im Lindenweg abgeschlossen sind, beginnen laut Projektleiterin Svenja Beigl die Planungen für zwei Areale an der Remsstraße. Erste Erfahrungen aus der Tiny-House-Siedlung am Lindenweg sollen dann schon einfließen. Die Flächen für die weiteren Mini Eigenheime sollen frühestens Mitte 2022
zur Verfügung stehen.